Tschudi-Konferenz
Zum zweiten Mal findet nächste Woche die Tschudi-Konferenz zu Ehren des Glarner Universalgelehrten Johann Jakob von Tschudi statt. Das noch junge Lateinamerika-Zentrum der UZH festigt damit seinen Ruf. (2.5.2018)
«Interdisziplinarität ist unser Markenzeichen»
Zum zweiten Mal findet nächste Woche die Tschudi-Konferenz zu Ehren des Glarner Universalgelehrten Johann Jakob von Tschudi statt. Das noch junge Lateinamerika-Zentrum der UZH festigt damit seinen Ruf.
Johannes Kabatek, Co-Direktor des Lateinamerika-Zentrums (LZZ) der UZH, stellt ernüchternd fest: «In der öffentlichen Wahrnehmung ist Lateinamerika etwas in den Hintergrund getreten, seit Donald Trump in den USA an der Macht ist.» Der grosse Nachbar im Norden konzentriert sich auf andere Weltgegenden und lässt den südlichen Teil des Kontinents links liegen. Mit der traditionellen Tschudi-Konferenz 2018 möchte das Zentrum bezüglich Wahrnehmung Gegensteuer geben. Renommierte Forscherinnen und Forscher werden am 7. Mai darüber sprechen, wieso Lateinamerika gerade heute topaktuell und relevant ist.
Lateinamerika als Modelbeispiel
«Lateinamerika ist ein Schmelztiegel sozialer, politischer, wissenschaftlicher und kultureller Entwicklungen, die für uns Forschende extrem interessant sind», sagt Linguist Kabatek, der das Zentrum zusammen mit Yanina Welp vom Zentrum für Demokratie Aarau leitet. An der öffentlichen Konferenz wird die Kulturanthropologin Barbara Göbel vom Iberoamerikanischen Institut in Berlin das Hauptreferat halten.
Sie wird der Frage nachgehen, welche Arten von Wissen zur Erklärung einer immer stärker vernetzten und multipolaren Welt nötig sind und welche Rolle Regionalstudien aus Lateinamerika dabei spielen. An der nachfolgenden Diskussionsrunde sprechen Forschende der wichtigsten europäischen Zentren für Lateinamerikastudien darüber, inwieweit aus lokalen Entwicklungen des Kontinents Lehren für andere Regionen gezogen werden können.
Spricht man in unseren Breiten über Lateinamerika, dominiert oftmals ein negatives Bild von Gewalt, Korruption und Terror. In vielen lateinamerikanischen Ländern entstehen aber auch interessante Bewegungen und Initiativen, die global ausstrahlen, etwa in der Kunst und Architektur, selbst in der Politik.
«Lateinamerika ist in vielerlei Hinsicht ein positives Modellbeispiel», sagt Alice Froidevaux, Programmkoordinatorin des LZZ. Ein Ziel des Zentrums sei es, diese innovative Seite aufzuzeigen und dem negativen Dritte-Welt-Bild entgegenzuwirken. Da sich gleichzeitig auch in Lateinamerika der Blick vermehrt auf Europa richtet, existieren gegenwärtig beste Bedingungen für wissenschaftliche Kooperationen zwischen den beiden Kontinenten.
Die Karibik als Diaspora
Die Konferenz zu Ehren des ersten Schweizer Lateinamerikanisten Johann Jakob von Tschudi (siehe Kasten) findet nach 2017 dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Der Anlass ist der wichtigste LZZ-Event des Jahres, aber mitnichten der einzige. Das 2016 gegründete Kompetenzzentrum habe sich in den vergangenen zwei Jahren mit zahlreichen Veranstaltungen einen Namen gemacht und sei in der wissenschaftlichen und lateinamerikanischen Community gut etabliert, bilanziert Kabatek.
Am 18. Mai findet beispielsweise ein ganztägiges Kolloquium über die Karibik und ihre Rolle als Diaspora statt. Die von Gastprofessorin Adriana López-Labourdette organisierte Veranstaltung thematisiert die Karibik als Zufluchts- und Durchgangsort für Migranten und analysiert die Folgen für karibische Kultur und Kunst. Ende Juni organisiert die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Liliana Gómez-Popescu, SNF-Förderprofessorin an der UZH, eine dreitägige Konferenz zu Menschenrechten rsp. dem Vergessen politischer Konflikte und Gewalt am Beispiel Kolumbiens und dem Libanon. Am 20. Juli wird die ausgestorbene Fauna Lateinamerikas und die Bedeutung von Museumssammlungen auf dem Programm stehen. Diese naturwissenschaftliche Veranstaltung ist ein Projekt der Paläontologen Gabriel Aguirre Fernández und Marcelo Sánchez.
Die unvollständige Auswahl zeigt die breite Ausrichtung des Zentrums. «Die disziplinenübergreifenden Themen und Projekte sind unser Markenzeichen», sagt Johannes Kabatek. Ganz im Geiste des Universalgelehrten Johann Jakob Tschudi, der sich als Sprach- und Naturforscher betätigte. Mit noch mehr Schub für das LZZ rechnet Johannes Kabatek auf Ende Jahr, wenn die eben ausgeschriebene Professur für Iberoromanische Literaturwissenschaft besetzt sein dürfte.